Wichtig: Den Stresspegel reduzieren. Kleine Übungen zur Stressreduktion sind sehr hilfreich, um sich in Momenten der Überforderung schnell zu helfen. Mittelfristig ist es jedoch wichtig, dass gar nicht erst so viel und so häufig Stress entsteht. Denn wenn man ständig ‚unter Strom‘ steht, dann braucht es auch nicht viel, um das Fass endgültig zum Überlaufen zu bringen. Wenn man dagegen stärker in sich selbst ruht, dann können einem auch die lauten Nachbarn oder die vielen Anforderungen im Büro nicht so schnell etwas anhaben. Aber wie schafft man das – den Stresspegel dauerhaft zu reduzieren?

Was ist Achtsamkeit? Hier können Übungen aus der Tradition der Achtsamkeit und der Achtsamkeitsmeditation weiterhelfen. Aber was genau ist eigentlich Achtsamkeit? Wie bei vielen ‚großen‘ Begriffen gibt es dazu ganz unterschiedliche Auffassungen und Definitionen. Ich würde es so ausdrücken: Achtsamkeit bedeutet, sich dessen bewusst zu werden, was gerade ist, und ihm mit Akzeptanz, ja vielleicht sogar Freundlichkeit zu begegnen. ‚Das, was gerade ist‘, kann ganz Unterschiedliches sein: unser Atem, der Geschmack einer Frucht, das Bellen eines Hundes, der Gedanke der uns gerade durch den Kopf geht, das Kribbeln im Bein oder die Freude über eine unerwartete Begegnung mit einem lieben Menschen.

Wie kann Achtsamkeit hochsensible Menschen unterstützen? Hier muss ich etwas weiter ausholen. Um zu verstehen, wie Achtsamkeit hochsensible Menschen unterstützen kann, hilft es, sich erst einmal klar zu machen, was ‚Stress‘ eigentlich genau bedeutet. Denn es ist keineswegs so, dass ein- und dieselbe Situation bei jedem Menschen gleichermaßen Stress hervorruft. Stress entsteht vielmehr dann, wenn die eigenen Möglichkeiten nicht ausreichen, um mit einer Situation zurechtzukommen. Stress entsteht also nicht zwangsläufig aus einer bestimmten Situation heraus, sondern ist das Ergebnis unserer Bewertung dieser Situation. Im Alltag bewerten wir viele Situationen jedoch quasi automatisch: Wir haben einen Fehler gemacht – und wir ärgern uns über uns selbst. Die Nachbarn feiern lautstark auf dem Balkon – und wir wollen uns nur noch die Ohren zuhalten. Wir erleben – und wir bewerten sofort. Genau hier setzt die Achtsamkeit an: Durch Achtsamkeitsmeditation kann man lernen, Raum zu lassen zwischen dem Erleben und dem Bewerten. Und manche Situation stellt sich vor diesem Hintergrund vielleicht ganz anders dar, als man es zunächst gedacht hätte. Tatsächlich gibt es Forschung, die zeigt, dass hochsensible Menschen nach dem Erlernen von Achtsamkeitsübungen bisher sehr anstrengende und potenziell überfordernde Situationen nicht mehr als so anstrengend erleben.

Wie kann man Achtsamkeit erlernen? Da gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten. Eine gute Möglichkeit sind spezielle acht-Wochen-Programme zur sog. Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (schauen Sie einfach im Internet für Ihre Stadt nach „achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“ oder „MBSR“ – der Abkürzung für den englischen Begriff ‚mindfulness-based stress reduction‘). Das sind Kurse, in denen man acht Wochen lang Übungen sowohl zuhause als auch in der Gruppe durchführt und die eigenen Reaktionen auf diese Übungen bespricht. Diese Kurse sind bewährt und erwiesenermaßen hilfreich. Sie erfordern allerdings auch einiges an Zeit – eine Stunde pro Tag sollte man schon einplanen. Oder Sie wenden sich an Therapeuten und Therapeutinnen, die achtsamkeitsbasierte Methoden in ihrer Arbeit anwenden. In der Einzelarbeit kann man die Übungen optimal an Ihre persönliche Situation anpassen. Das ist z.B. auch bei mir in der Praxis möglich.